Markus Wissen / Bernd Röttger / Susanne Heeg (Hg.): Politics of Scale
Politics of scale
Spätestens mit der globalisierungskritischen Bewegung sind politische Arenen und Organisationen ins Blickfeld gekommen, die jenseits des Nationalstaates liegen. Dabei kommen Fragen auf, die jede emanzipatorische Politik interessieren müsste: Was bedeutet überhaupt »jenseits des Nationalstaates«? Warum werden bestimmte Themen nicht mehr im Rahmen nationalstaatlicher Politik ausgehandelt? Gibt es einen Weg aus dem damit verbundenen Dilemma, auf globaler Ebene nahezu machtlos zu sein und gleichzeitig den Nationalstaat nicht in seine scheinbare Pflicht rufen zu wollen?
Einige SozialwissenschaftlerInnen bemühen sich darum, diese Diskussion durch die Integration geographischer Forschungen zu erweitern. Insbesondere der Verlag Westfälisches Dampfboot stellt mit einer Buchreihe den Anschluss zur kritischen Raumforschung und internationalen, meist englischsprachigen Debatten her. Mit Politics of Scale liegt nun ein Band vor, der sich explizit mit der Frage »skalarer Strategien« beschäftigt, also mit der Frage, wie es politischen Akteuren gelingt, durch »die Produktion und Veränderung räumlicher Maßstabsebenen Machtverhältnisse zu festigen, zu verschieben oder zu bekämpfen versuchen«. Die für den Alltagsverstand etwas sperrigen und ungewohnten Begrifflichkeiten und Gegenstände der Analyse (räumliche Dimensionen der Politik) werden einführend durch Beispiele näher gebracht und in ihrer politischen Relevanz deutlich gemacht.
Nach einer kritischen Rekonstruktion der Debatte folgen vier Teile: (I) Auf raumtheoretische Überlegungen zur politischen Ökonomie des Raums und ungleicher Entwicklung, der Stadt als zentralem Ort des Politischen, sowie skalarer Praxis und feministischen Fragen an die Geographie folgen (II) sozialwissenschaftliche Anschlüsse. Hier werden mit Foucault, Gramsci und der Regulationstheorie den aufgeworfenen raumtheoretischen Fragen nachgegangen. Ebenso wird die räumliche Dimension gesellschaftlicher Naturverhältnisse analysiert. Daran schließt der empirische Teil an (III), der sich zum einen mit Stadt- und Umweltforschung, zum anderen mit der EU beschäftigt. Der abschließende Teil diskutiert politische Perspektiven anhand städtischer sozialer Bewegungen und Problemen gegenwärtiger Gewerkschaftspolitik.
»Politics of Scale« verdeutlicht, wie provinziell der deutsche wissenschaftliche Mainstream und teilweise auch die linke Theorie ist. Es ist also ein Verdienst, die angelsächsischen Debatten mit Nachdruck in die Diskussion zu bringen. Leider wird bei den 14 Beiträgen zwar klar, dass räumliche Dimensionen eine relevante Rolle für politische Auseinandersetzung spielen, aber nicht unbedingt wie. Viele empirische Beispiele haben illustrativen Charakter und zeigen nicht genau, wie bestimmte politische Kräfte versuchen, neue Räume des Politischen für sich zu erschließen oder eben auch zu verschließen. Denn für eine emanzipatorische Politik sind genau jene Prozesse relevant, die als reflektierte Erfahrung in die Formulierung politischer Perspektiven mit eingehen. Aber vielleicht ist das für einen Sammelband zu viel verlangt.
Ingo Stützle