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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 298 | Konfliktherd Energie Helmut Strizek: Geschenkte Kolonien

Helmut Strizek: Geschenkte Kolonien

Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft. Berlin 2006, 224 Seiten, 19,90 Euro.

Rezension: Geschenkte Kolonien

Die Publikationen des Christoph Links Verlags zum deutschen Kolonialismus sind mittlerweile zu der Reihe "Schlaglichter der Kolonialgeschichte" angewachsen. Zwei der jüngsten Publikationen befassen sich auf recht unterschiedliche Art mit den verschiedenen Teilen des früheren "Deutsch-Ostafrika". [Vgl: Felicitas Becker und Jigal Beez (Hg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905 - 1907]

Der ehemalige BMZ-Mitarbeiter Helmut Strizek verspricht, in Geschenkte Kolonien. Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft ein fast vergessenes Kapitel deutscher Kolonialgeschichte aufzudecken. Er beschreibt die Sozialstruktur sowie die politischen und religiösen Verhältnisse von der vorkolonialen Zeit bis zur Gegenwart. Dazu gehört, wie die Länder 1885 bei der Berliner Kongokonferenz mit Strichen über die Landkarte dem deutschen Reich zugesprochen wurden, obwohl man sie nicht einmal kannte. Die Texte werden durch zahlreiche Porträts kolonialer Persönlichkeiten aufgelockert, an denen bereits ein Grundproblem des Buches deutlich wird: Der historische Teil ist, vom Anfang abgesehen, weitgehend aus der Perspektive der Forschungsreisenden, Missionare und Kolonialbeamten geschrieben. Im Plauderton erfährt man von deren Abenteuer- und Wissensdrang, erworbenem Ansehen, Heiraten und einem Beinbruch, aber sehr wenig über Unterwerfungswillen und Rassismus. Statt etwa Graf Götzens brutales Vorgehen im Maji-Maji-Krieg zu beschreiben, wird seine "teilweise auch selbstkritische Bilanz seiner Tätigkeit als Gouverneur" gelobt. Die Vermessung von Schädeln der Einwohner im Auftrag des damals führenden Rassen-Anthropologen von Luschan wird lediglich am Rande erwähnt und in einer Fußnote als "heute befremdlich wirkend" gewertet.

Ein zentrales Thema ist die Unterscheidung in Hutu und Tutsi, die es schon vor dem Eintreffen der ersten Weißen gab, die aber erst durch europäischen Einfluss zum bestimmenden - rassistischen - Stereotyp wurde. Genau diesen Einfluss versucht Strizek systematisch klein zu reden. Zwar kritisiert er, dass die europäische Unterscheidung in überlegene "schwarze Europäer" und minderwertige "echte Schwarzafrikaner" "den in Europa gängigen rassischen Vorstellungen" entsprochen habe. Doch im Folgenden wird völlig unhinterfragt von "Tutsi-Adel" gesprochen, dessen diktatorische Machtausübung den roten Faden der Erzählung bildet. Die europäischen Mächte erscheinen immer wieder als diejenigen, die Ordnung und Zivilisation vertreten, während die Verantwortung für Rassenhass den RuanderInnen zugeschrieben wird.
Auch dort, wo es um den Prozess der Unabhängigkeit Ruandas geht (1957 bis 1962), beharrt der Autor auf dem strikten Dualismus zwischen zwei "Ethnien". Er übergeht die Unterschiede politischer Parteien und sozialer Gruppen sowohl der Hutu als auch der Tutsi, die sich keineswegs alle ethnisch definiert haben. Die folgenden Konflikte, die im Genozid von 1994 mündeten, stellt er extrem einseitig dar, so dass der Eindruck entsteht, "die Tutsi" seien doch auch selbst an jenen Gräueln schuld, die an ihnen begangen wurden. Behauptungen und Thesen stehen des Öfteren auf wackeligen Füßen. Streng genommen wird nichts Falsches behauptet, wesentlich ist aber, was nicht erwähnt wird.

Sven Sattler

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