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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 298 | Konfliktherd Energie Pedro A. Sanjuan: Die UN-Gang

Pedro A. Sanjuan: Die UN-Gang

Über Korruption, Spionage, Antisemitismus, Inkompetenz und islamischen Extremismus in der Zentrale der Vereinten Nationen. Erfahrungsbericht eines Insiders. Zu Klampen Verlag, Hannover 2006, 207 Seiten, 19,80 Euro.

Rezension: Alte Feinde in der UNO


Wer hätte das gedacht? Die UNO, die angesehene internationale Organisation mit hehren Zielen, ist zu gut, um wahr zu sein. Zumindest behauptet das Pedro A. Sanjuan in seinem Buch Die UN-Gang. Bereits der Untertitel lässt einiges erwarten: "Über Korruption, Spionage, Antisemitismus, Inkompetenz und islamischen Extremismus in der Zentrale der Vereinten Nationen. Erfahrungsbericht eines Insiders."

Schwere Geschütze, mit denen nicht jede/r Dahergelaufene auffahren sollte. Wer ist also besagter Herr Sanjuan? Seine ersten Schritte in der Politik machte der US-Amerikaner bereits vor langer Zeit als Protegé von Robert Kennedy, der ihn förderte, so dass Pedro Sanjuan schließlich über zweieinhalb Jahrzehnte lang aus der amerikanischen Politik nicht mehr wegzudenken war. Er arbeitete in sieben Ministerien, war zwei Regierungsperioden lang Mitarbeiter im Weißen Haus und wurde schließlich von 1983 bis 1996 US-Repräsentant der Vereinten Nationen in New York. Dieser Mann sollte durchaus etwas zu erzählen haben.

Sanjuan beschreibt, wie vom Generalsekretär abwärts so gut wie alle seine MitarbeiterInnen heraus zu finden versuchen, ob er jüdischer Abstammung sei. Ein latenter Antisemitismus ist seiner Ansicht nach in der internationalen Organisation gang und gäbe, was er auch hinlänglich durch Beispiele belegt. Der weiterer großer Themenblock des Buches ist der im New Yorker Hauptquartier mehr oder weniger offen statt findenden Auseinandersetzung zwischen den USA und der damals noch existenten Sowjetunion gewidmet: Sanjuan bezeichnet seine russischen UNO-Kollegen nahezu durchwegs als KGB-Offiziere, die den Status als MitarbeiterInnen der Vereinten Nationen in erster Linie dazu missbrauchten, um im großen Stil Spionage zu betreiben. Was ihm die eher unfreiwillige Rolle zukommen ließ, als eine Art amerikanischer Gegenspion zu fungieren, der einer selbst von den US-Behörden wie dem Außenministerium ignorierten Übermacht und Gefahr gegenüber stand. Illustrativ für etwa ein Drittel des Buchinhalts ist folgendes Zitat: "Ich wusste über sie Bescheid. Sie wussten über mich Bescheid. Ich informierte das FBI, aber das FBI konnte anhand der von mir gelieferten Informationen kaum etwas unternehmen. Das amerikanische Außenministerium wollte nichts wissen. Die sowjetischen Agenten konnten allerdings gegen meine Schnüffelei auch nicht viel unternehmen".

Der letzte Teil des Buches geht schließlich auf Vorwürfe wie Korruption oder Inkompetenz ein, die laut Sanjuan auf erschreckend viele UNO-Beamte zutreffen. Von schwerwiegenden Anschuldigungen ist zu lesen, die von umtriebigen Drogenhandel in der UNO-Garage bis zum sexuellen Missbrauch reichen: "Eine der vielleicht eigentümlichsten Abweichungen von der allgemein akzeptierten Verwaltungspraxis ist der Brauch, dass UN-Beamte, die mit Personalangelegenheiten befasst sind, von weiblichen Angestellten (...) sexuelles Entgegenkommen verlangen".

Man ist geneigt, das Buch als einen Versuch aufzufassen, der vorherrschenden Meinung entgegen zu treten, die Vereinten Nationen seien ein Lakai der USA. Sozusagen UN-Kritik einmal anders: Die internationale Gemeinschaft ist nicht Spielball der Supermacht, in Wahrheit hat diese sich längst gegen den großzügigsten Geldgeber verschworen.

Nimmt man Sanjuans Worte für bare Münze, sind die Vereinten Nationen in erster Linie ein Haufen inkompetenter oder krimineller Figuren, die sich alle genau konträr dazu verhalten, wie man es von (international tätigen) Beamten erwarten dürfen sollte. Der angekündigte tiefe Einblick in die Vereinten Nationen verspricht jedoch mehr, als er halten kann. Das Buch ist sehr subjektiv und voller amerikanischem Urmisstrauen gegenüber der ehemaligen Sowjetunion geschrieben. Viele der dargestellten Begebenheiten sind fast 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Gegenspielers der USA schlicht nicht mehr von großer Bedeutung. Und dass die Vereinten Nationen einer gründlichen sowie umfassenden Reform bedürfen, ist auch nicht gerade neu. Vielleicht ist es die mitunter hohe Brisanz der Inhalte, die dafür verantwortlich ist, dass das Buch erst jetzt heraus gebracht wurde. Ganz entschuldigen kann sie seine mangelnde Aktualität aber nicht.

Die Meinung eines Pedro A. Sanjuan über die Vereinten Nationen ist mit Sicherheit von Relevanz. Offen bleibt allerdings die Frage, wie viel tatsächlich hinter all den bedenklich stimmenden Vorwürfen und Anschuldigungen steckt, die zu lesen eher an sarkastische Anekdoten als an belegbare Tatsachen erinnert.

Georg Eberhardt

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