Wolfgang Benz: Die Protokolle der Weisen von Zion
Rezension: Verschwörung gegen die Juden
Verschwörungstheorien sind weltweit beliebt, da sie Unzusammenhängendes in einen Zusammenhang bringen, dabei immer die "Anderen" verantwortlich machen und einfache Erklärungen für Unverstandenes bieten. Gerade in der vermeintlich aufgeklärten Welt stoßen Verschwörungstheorien auf offene Türen. Eine der bekanntesten Verschwörungstheorien sind die Ende des 19. Jahrhunderts verfassten Protokolle der Weisen von Zion. Sie werden bis heute von verschiedenen Kreisen als authentisches Dokument angesehen, das die angebliche "Weltherrschaft der Juden" beweise. Unzählige Abwehrversuche und Schriften, die belegen, dass sie gefälscht wurden, ändern nichts an der Popularität der "Protokolle".
Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung und Professor für Geschichte an der TU Berlin, beleuchtet in seinem neuen Buch die Rolle der "Protokolle" in der Ideologie des Antisemitismus und ihren historischen und aktuellen Kontext. Es geht ihm vor allem darum, die "Möglichkeiten des Irrationalen in der modernen Politik und Gesellschaft" zu untersuchen.
Benz erklärt anhand von Beispielen aus Geschichte und Gegenwart, wie und warum Verschwörungstheorien funktionieren. Gerne wurden für sie Juden als Übeltäter herangezogen, da sie durch Religion, Kultur und den daraus resultierenden sozialen Gegebenheiten als "fremd" wahrgenommen wurden. Schon im Mittelalter wurden Legenden über angebliche Hostienschändungen, Brunnenvergiftungen und Ritualmorde durch Juden verbreitet, mit denen Phänomene wie die Pest oder das Verschwinden von Kindern erklärt werden sollten.
Wer die "Protokolle" verfasst hat, ist bis heute unklar. Erstmals veröffentlicht wurden sie 1903 in der St. Petersburger Zeitung Znamia. Die "Protokolle" geben vor, insgesamt 24 Sitzungen zu dokumentieren, die von jüdischen Führern der ganzen Welt, den "Weisen von Zion", besucht wurden. Besprochen wurde dabei angeblich die Beherrschung der Welt. So hätten die Juden hierfür beispielsweise die Presse unterwandert, Kriege und Revolutionen angezettelt, die Demokratie und den Liberalismus erfunden.
Die Fälschung der Protokolle ist schnell bewiesen. So taucht in ihnen beispielsweise der indische Gott Wischnu auf, den es im Judentum gar nicht gibt. Fast die Hälfte des Inhalts stammt aus dem 1864 erschienenen Buch "Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu", mit dem der französische Revolutionär Maurice Joly Napoleons Politik, die sämtliche öffentlichen Freiheiten einschränkte, angreifen wollte.
Die "Protokolle" stießen auch inner- wie außerhalb Europas auf großes Interesse. Heute sind sie bei Rechtsextremen, EsoterikerInnen, katholischen FundamentalistInnen und verschwörungstheoretischen Zirkeln populär, vor allem aber bei IslamistInnen. Von ihnen werden sie hauptsächlich zur Hetze gegen den jüdischen Staat Israel verwendet. In Ägypten wurde eine Telenovela produziert, die die "Protokolle" inszeniert und die in allen arabischen Ländern ausgestrahlt wurde. Und auch durch das Internet ist es ein Leichtes geworden, an die "Protokolle" heranzukommen und mit ihnen antisemitische Propaganda zu betreiben.
Benz gibt eine gute Einführung in den gegenwärtigen Wissensstand. Wer sich näher mit der Thematik beschäftigen möchte, muss aber weitere Literatur heranziehen. Insbesondere der Inhalt der "Protokolle" wird von Benz nur kurz zusammengefasst, es fehlen jegliche Erläuterungen oder Zitate. Wer lediglich grob Bescheid wissen will, macht bei diesem Buch sicher keinen Fehlgriff.
Franziska Krah