Stefanie Wolter: Die Vermarktung des Fremden
Exotische Seh(n)süchte
"Mohren" mit Kulleraugen und weißen Handschuhen, anmutige Südseeschönheiten, Orientalen auf Elefanten reitend, Indianer als wilde Krieger oder edle Wilde. Diese und andere "Exoten" bevölkerten die Bildwelten der aufstrebenden Werbebranche um 1900. Ob für Zahnpasta, Seife ("Mohrenwäsche"), Kaffee, Kakao, Zigaretten, Sekt, Schuhcreme oder Bleichmittel, stets dienten die Fremdenbilder als Blickfang, um bei den potentiellen - weißen - KundInnen Kauflust, national-imperialen Stolz, erotische Faszination oder Gelächter zu erzeugen.
Die Soziologin Stefanie Wolter hat in der Studie Die Vermarktung des Fremden die Konsum- und Unterhaltungskultur des Kolonialzeitalters unter die Lupe genommen. Sie zeigt, wie in der Werbung, in Völkerschauen und im exotischen Film die "kulturelle und rassische Andersartigkeit" kommerziell ausgebeutet wurde. Eingangs merkt sie an, dass diese Bildprogramme mehr über die ProduzentInnen und NutzerInnen als über die Abgebildeten aussagen; mithin handelt es sich um Projektionen, um Zerrbilder europäisch-westlicher Phantasien. Wolter analysiert das Verhältnis zwischen wissenschaftlichem Rassismus und Populärkultur und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Warenrassismus". Die "exotische" Werbung verfestigte nicht nur bestehende Stereotype, sondern schuf auch neue und lud sie je nach Bedarf mit neuen Bedeutungen auf. Neben dem Kolonialismus und der Rassentheorie war auch der kapitalistische Markt an der Kreation des "essentiell Fremden" beteiligt.
Joachim Zeller