Hinterland
Hinterland
Eine neue Zeitschrift schickt sich an, laut eigener Aussage "antizyklisch" Themen rund um Flucht und Migration aufzugreifen. Hinterland heißt das Magazin, was offensichtlich auf die Verortung der Redaktion im Bayerischen und im dortigen Flüchtlingsrat anspielt. Doch es ist nicht allein die Herkunft aus dem Rückzugsgebiet von Stoiber und Beckstein, die für Einzigartigkeit sorgt. Denn die Redaktion präsentiert ein "kampflustiges Heft jenseits der moralischen Endlosschleifen professionell Betroffener in Politik und NGOs". Ihr erklärtes Ziel ist es, einen "kritischen gesellschaftlichen Zusammenhang dort herzustellen, wo sich Flüchtlingsarbeit bisher im Single-Issue-Gefrickel erschöpfte".
Die soeben erschienene erste Ausgabe von Hinterland (01/2006) löst dieses Versprechen ein. Im Themenschwerpunkt "Wohnen" geht es mittels Reportagen, Interviews, Hintergrundberichten und Essays um das "Leben im Lagerland". Leitmotiv ist dabei ein Ausspruch aus den Milieu-Studien von Heinrich Zille: "Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt." Dass bei Flüchtlingen in Deutschland das Menschenrecht auf Wohnen
auf das Schärfste verletzt wird, wird den LeserInnen jedoch nicht auf's Auge gedrückt. Dank einer assoziativen und zurückhaltenden Bebilderung bleiben interpretative Spielräume. Und wie angekündigt wird über den Tellerrand geguckt, etwa mit einem Auszug aus Mike Davis' neuem Buch "Planet of Slums" oder einer Kritik am "folgenlosen Konsum drastischer Dokumentarfilme".
Ob es angesichts des bereits existierenden Überangebotes an linken und antirassistischen Kleinstpublikationen eine weise Idee ist, ein neues Magazin zu gründen, sei dahingestellt. Alles in allem trägt das gut gemachte Heft jedoch zur Hoffnung bei, Bayern möge fortan kein ruhiges Hinterland mehr für die christlich-sozialen Feindinnen und Feinde des Asylrechts und des Rechts auf Migration sein. Sind nicht viele Aufstände und Revolten in selbigem begonnen und gewonnen worden?
Cst.