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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 286 | Kriminalliteratur aus dem Süden Qiu Xialong: Tod einer roten Heldin

Qiu Xialong: Tod einer roten Heldin

dtv Galleria, München 2005 (4. Auflage), 457 Seiten, 9,90 Euro Qiu Xialong: Die Frau mit dem roten Herzen. Ein Fall für Oberinspektor Chen, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004, 382 Seiten, 24,90 Euro Nury Vitachi: Der Fengshui-Detektiv und der Computertiger, metro/Unionsverlag Zürich 2005, 287 Seiten, 9,90 Euro. Vom selben Autor sind beim Unionsverlag auch erschienen: Der Fengshui-Detektiv (2003) und Der Fengshui-Detektiv und der Geistheiler (2004).

Rezension: Asien | Mao, Marshals und Moneten

Cao Chen ist mit Herz und Seele Literat; das Schicksal - also im Wesentlichen die Kommunistische Partei - hat jedoch einen Posten bei der Polizei für ihn vorgesehen. Als Oberinspektor bewegt er sich fortan im Umfeld des rasanten gesellschaftlichen Wandels. Er macht eine steile Karriere, weil er die hohlen Formeln vom obersten Primat des Parteiinteresses beherrscht, auch wenn sie im Unterschied zu anderen äußerlich bleiben. Quereinstieg und schnelle Beförderung zum Chef der Spezialabteilung für "politische Fälle" der Mordkommission wären zu Maos Zeiten noch unmöglich gewesen, Cao Chen wäre zu jung dafür gewesen. Doch auch im heutigen China muss er sich beweisen vor Neidern und Argwöhnern aus der Parteihierarchie. Schwierig wird es, als ihn die Ermittlungen wegen des Mordes an Guan Hongying in Gefilde führen, die es laut Staatsräson nicht geben darf. Die Tote war Leiterin der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses und prominente ‚Heldin der Arbeit'. Da kommt es der Partei gar nicht gelegen, als Chen Reizwäsche und erotische Fotos findet und so ein Doppelleben aufdeckt, dass so gar nicht zu der moralischen Vorbildfunktion der Ermordeten passt. Richtig brenzlig wird es für Chen, als er in der Sache trotz deutlicher Signale aus der Partei weiter gegen einen "Prinzling" ermittelt, wie die Kinder hoher politischer Kader genannt werden, die oftmals "gleicher sind als die anderen".

Der Tod einer roten Heldin ist der Debütroman des chinesischen Übersetzers, Lyrikers und Literaturkritikers Qiu Xiaolong, der 1988 in die USA gereist war und es nach dem Tienanmen-Massaker 1989 vorzog, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren.

In seinem zweiten Kriminalroman Die Frau mit dem roten Herzen geht es um die Beziehungen zwischen China und den USA. Chen, der in einem brutalen Mordfall ermitteln will, wird abkommandiert, um US-Marshall Catherine Rohn zu unterhalten, zu unterstützen und zu kontrollieren. Sie soll die schwangere Ehefrau eines "Menschenschmugglers" in die USA bringen, der gegen die Triaden aussagen will. Doch als der Kronzeuge verschwindet, bezieht Chen Rohn zunehmend in die Ermittlungen ein, obwohl dabei viele gesellschaftliche Missstände ans Licht kommen, die Chen ihr aus politischen Gründen eher vorenthalten sollte. Xiaolong versteht es, ein Gefühl für die Umbruchsituation zu entwickeln und chinesische Innenperspektiven für westliche LeserInnen verständlich zu machen; im zweiten Fall auch durch die politischen und kulturellen Diskussionen zwischen Chen und Rohn. Beide Romane schildern einfühlsam vielfältige Lebenslagen und persönliche Beziehungen und sind gemäß der literarischen Neigung des Protagonisten durch unaufdringliche Lyrik und Weisheiten angereichert.

Auch Der Fengshui-Detektiv und der Computertiger von Nury Vitachi ist von östlichen Weisheiten und einem Faible fürs Essen geprägt. Vitachis Episoden haben jedoch einen völlig anderen ‚Beat': Hier ist der Krimi nicht etwa Mittel zum Zweck (kritischer) Beschreibung der Gesellschaft und ihrer Gegensätze, sondern einfach peppige Unterhaltung. Der Fengshui-Meister C.F. Wong und seine Assistentin Joyce McQuinnie geraten über ihre Fengshui-Beratungen immer wieder in kriminalistische Ermittlungen, etwa wenn sie nach einem Todesfall in einem Fitnessstudio wieder für positive Energien sorgen sollen. Wong ist schon älter, unscheinbar, schlank aber verfressen und will eigentlich seine Ruhe haben. Nur seine Geldgier treibt ihn zu neuen Abenteuern an. Seine 18jährige britisch-australische Assistentin beschäftigt er nur, weil sie von einem Auftraggeber extra bezahlt wird. Eigentlich geht sie ihm total auf die Nerven, quasselt in einem Jugendslang, den er kaum versteht, und manövriert sich und ihn in peinliche Situationen. Diese Eigenschaften und ihr selbstverständlicher Umgang mit neuen Technologien, der ihm völlig abgeht, führen gleichwohl häufig zur Lösung der Fälle. Schauplätze sind Singapur, Australien, Indien oder Thailand, was den bewegten transkulturellen Hintergrund des in Sri Lanka geborenen Vitachi widerspiegelt. Die Gegensätze wie jung-alt, modern-traditionell, schrill-bescheiden oder Sprachenmixe dienen eher der Lust am Skurrilen als der Aufklärung. Die Fengshui-Esoterik spielt zwar eine Rolle in dem Buch, doch auch sie wird ironisiert. Nebenbei erfährt man jedenfalls, warum das Wissen eines Fengshui-Meisters ganz weltlich und lebensrettend sein kann, wenn man in einem Supermarkt einem entlaufenen Tiger begegnet.

Heiko Wegmann

286 | Kriminalliteratur aus dem Süden
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