Habib Mazini/ Alexis Logié: Die Wut der kleinen Wolke
Wolkige Kindergeschichte
Kleine Nischenverlage haben es nicht einfach, LeserInnen zu finden. So auch der Ein-Personen-Verlag Edition Orient aus Berlin-Kreuzberg, der unter anderem zweisprachige Kinderbücher (Arabisch-, Türkisch- und Persisch-Deutsch) und Literatur aus dem Orient publiziert. Hier erschien das zweisprachige Kinderbuch Die Wut der kleinen Wolke. Das Original geht auf eine Geschichte zurück, die 2005 im marokkanischen Rabat von Habib Masini publiziert wurde. Die arabisch-deutsche Ausgabe wurde von Alex Logié illustriert. Das Buch fällt nicht nur durch seinen bilingualen Charakter auf, es hat auch eine ungewöhnliche Aufmachung: Es wird wie ein Kalender aufgeschlagen und geblättert.
Erzählt wird die Geschichte einer kleinen Wolke über Nordafrika aus deren Perspektive. Das ist wörtlich zu verstehen, denn die mit einem Mix aus Collagen und gemalten Bildern illustrierte Geschichte betrachtet die Welt aus Vogel- oder besser gesagt Wolken-Perspektive. Das geht bis ins Detail, nämlich dass die Menschen auch Schatten werfen.
Die Welt in dieser Geschichte ist keine Bilderbuchwelt, sondern es wird aus der Distanz der Wolke das Leiden der Menschen in der Sahara beobachtet. Erschwert wird das Leben nicht nur durch die schwierigen Rahmenbedingungen einer Wüstenregion, sondern auch durch die Konflikte der Menschen. So sieht die Wolke auch viel Leid, etwa wenn sie über einem Flüchtlingstreck schwebt. Da heißt es dann: »Rauch steigt über den Hütten auf, die Tiere brüllen vor Angst. Ein Krieg hat das Land zerstört und die Bewohner zu Flüchtlingen gemacht.« Mit solchen Realitäten können Kinder durchaus gut umgehen, wenn sie ihnen rücksichtsvoll nahe gebracht werden. Dass die Wolke als Wasserspeicher in einer Gegend, in der Wasser eine große Bedeutung hat, helfen kann, gibt einen positiven Ausblick.
Die Idee, Kinderbücher für Kinder zu machen, die zweisprachig aufwachsen, ist bestechend. Die Geschichte der Wolke ist überdies schön erzählt, und sie wurde fantasievoll illustriert. Ein großes Manko ist aber die deutsche Übersetzung des arabischen Originaltextes. Es ist nämlich eine 1:1-Übersetzung. Doch es sollte eben nicht darum gehen, Sätze in der Zielsprache genau abzubilden. Gute ÜbersetzerInnen sind bis zu einem gewissen Grad immer auch InterpretInnen, die die Ideen und Gedanken des übersetzten Textes vermitteln. Das fehlt leider in diesem Buch, wodurch der deutsche Text hölzern wirkt. In einer wünschenswerten zweiten Auflage sollte dies nachgebessert werden.
von Lucius Teidelbaum