Beqë Cufaj: projekt@party
Die Herrschaft der Internationalen
Die Bemerkung einer US-amerikanischen Journalistin, die sich über die massive internationale Präsenz im Kosovo wunderte, war für den in Stuttgart lebenden kosovarischen Schriftsteller und Journalisten Beqë Cufaj Anlass, einen Roman über die Protektoratsherrschaft in diesem kleinen Land zu verfassen. Doch siedelte er die Handlung nicht dort an, sondern in einem fiktiven Balkanland. Denn Cufaj wollte nicht nur über das System der internationalen Verwaltung des Kosovo schreiben, sondern vor allem über das System der »Entwicklungshilfe« an sich und die Menschen, die in ihm aktiv sind.
Nach Cufajs Ansicht stellen seit der Entkolonialisierung die UNO und die von ihr geleistete »Entwicklungshilfe« eine »große Idee« dar – wie der Kommunismus oder die Demokratie. Doch gebe es bisher kaum literarische Auseinandersetzungen damit, wie diese Hilfe funktioniere. Diese Lücke will er mit dem Roman project@party füllen. Dass er in den internationalen Protektoraten zum Zwecke des nation buildings eine neue Form des Kolonialismus sieht, macht er schon zu Beginn deutlich, wenn er seiner Geschichte ein Zitat von Aimé Césaire aus »Et les chiens se taisaient« voranstellt, in der ein aufständischer Sklave beschreibt, wie er seinem Herrn gegenübertritt, um ihn zu töten.
Cufajs Held und Ich-Erzähler ist ein deutscher Professor, desillusionierter Linker und untreuer Ehemann, der sich nach dem Tod der Tochter und der Trennung von seiner Frau in die Tätigkeit als Aufbauhelfer für die UNO flüchtet. Die Idee, die Welt der Entwicklungshilfe aus der Perspektive eines ihrer Protagonisten zu zeigen, ist gut. Leider ist Cufajs Held als ex-linker ‚Gutmensch’ sehr holzschnittartig geraten. Aber was Cufaj durch ihn beschreibt – die Mischung aus Aktionismus und Leerlauf, die Parallelwelt der »Internationalen«, das exzessive Feiern und selbstzweckhafte Netzwerken, das Herabblicken auf die Einheimischen etc. – das dürfte allen, die schon mal in Kontexten der »Entwicklungszusammenarbeit« gearbeitet haben, nur allzu vertraut vorkommen. Hier erweist sich der Autor als präziser und schmerzhaft ehrlicher Beobachter. Deutlich anzumerken ist der Schilderung des internationalen Personals aber auch, dass es für Cufaj durchaus eine narzisstische Kränkung darstellt, wenn Menschen aus Afrika und Asien im europäischen Kosovo »Entwicklungshilfe« leisten.
Dem Erzähler steht dessen Dolmetscher gegenüber, dessen Emanzipationsakt darin besteht, den Professor aus Deutschland mit der Erzählung seiner Lebensgeschichte zu konfrontieren. Als Asylbewerber in Deutschland und zurück »hier unten« als Dolmetscher für die Internationalen erlebte er die Machtverhältnisse, die der Tätigkeit des Erzählers zugrunde liegen, aus der Perspektive des Kolonialisierten. Und aus dieser Perspektive ist, so legt Cufaj nahe, die Herrschaft der Internationalen zum blutigen Scheitern verdammt.
von Hannes Püschel