Reza Kahlili: A Time to Betray
Iran aus Sicht eines Doppelagenten
Aufgrund der umstrittenen Wiederwahl Mahmoud Ahmadinedschads, den anschließenden Massenprotesten und des Atom(waffen)programms kommt Iran momentan ein großes öffentliches Interesse zu. Das Land und sein politisches System ist zum Gegenstand von Literatur geworden, die sich über Iran-KennerInnen hinaus an ein breites Publikum richtet. Hierzu zählt Reza Kahlilis Politthriller A Time To Betray – eine Mischung aus angeblicher Autobiographie, Spionage-Story und Abrechnung mit der iranischen Theokratie.
Die Jugendfreunde Reza, Naser und Kazem wachsen in Iran zu Zeiten des Schahs auf. Reza und Naser stammen aus der verwestlichten Oberschicht, Kazem aus der religiös geprägten armen Bevölkerung Teherans. Die Islamische Revolution 1979 führt sie in unterschiedlichste Bahnen: Kazem wird überzeugter Anhänger des islamistischen Regimes. Naser unterstützt die Mudschaheddin, eine basis-islamistische Guerilla, die die neue Machtfülle der Mullahs ablehnt. Reza schließt sich zunächst wie Kazem den regimetreuen Revolutionsgarden Pasdaran an, arbeitet dann jedoch während der gesamten 1980er Jahre als Agent der CIA.
Eine Stärke von »A Time to Betray« liegt darin, dass es die Brutalität der Islamischen Republik anschaulich vermittelt. Gleichzeitig schafft es Kahlili, den bis heute großen Rückhalt des Regimes bei gewissen Bevölkerungsschichten darzustellen. So steigt Mullah Aziz, der in Rezas Kindheit noch per Esel reiste und für wenig Geld religiöse Dienste anbot, zum Hojatollah auf und fährt einen Luxus-Mercedes. Kazem ist wie viele Angehörige der Unterschicht fest vom islamistischen System überzeugt. Selbst die Ermordung von Naser und seinen Geschwistern durch Sicherheitskräfte des Regimes bringt ihn hiervon nicht ab. Die Steinigung einer Prostituierten ist für ihn »justice in action«. Für LeserInnen, die sich mit Iran wenig auskennen, ist das Buch darüber hinaus eine leicht lesbare Einführung in die letzten fünfzig Jahre iranischer Geschichte. Problematisch ist allerdings, dass dem Ziel, die Gefahr des iranischen Islamismus zu verdeutlichen, ein redlicher Umgang mit äußerst fragwürdigen Zusammenhängen teils geopfert wird. So verklärt Kahlili die vor 2001 durchaus vorhandenen Verbindungen zwischen den Pasdaran und al-Qaida zu einer Art Bündnis auf höchster Ebene. So kann der völlig falsche Eindruck entstehen, die Anschläge vom 11. September seien in Teheran geplant worden.
Besonders die Schlusskapitel verdeutlichen, dass »A Time to Betray« mit einer politischen Absicht verfasst wurde. Das mehrfache Scheitern der USA, mit verschiedenen Akteuren aus der Elite der Islamischen Republik zu kooperieren, soll zeigen, dass ein harter Kurs gegenüber den iranischen Machthabern alternativlos ist. Schwäche und Kompromissbereitschaft gegenüber Islamisten gefährde die Sicherheit der USA, so die Botschaft. Diese müssten zu ihrer Mission der Demokratisierung der Welt, die Rezas Bild der USA prägt und sich als roter Faden durch das gesamte Buch zieht, zurückkehren.
Kurz: »A Time to Betray« ist ein Revival neokonservativer Sicherheitspolitik in Reinform, das verpackt als Lebensgeschichte eines Iraners – und dadurch legitimiert – rund ein Jahr nach einer grundlegenden Neuausrichtung der amerikanischen Iran-Politik durch Barack Obama in den öffentlichen Diskurs der USA getragen wird.
Sören Scholvin