Pedro Rosa Mendes/Wolf Böwig: Schwarz. Licht.
Rezension: Eine andere Sprache
Bereits der Titel des Bandes Schwarz.Licht von Pedro Rosa Mendes und Wolf Böwig deutet das Ringen der beiden Autoren um eine Sprache für Unbeschreibliches an. Wie kann die Brutalität von Kriegen, wie kann die Auswirkung von Ausbeutung geschildert werden, wie kann das alles aufgenommen und bezeugt werden, wenn es sich um postkoloniale Zustände in Westafrika handelt, zugleich aber die textliche und fotografische Sprache selbst, derer sich die Autoren bedienen, zwangsläufig koloniale Bilder und Mythen in sich trägt?
Der Schriftsteller und Journalist Mendes und der Fotograf Böwig bereisten in den Jahren 2003 bis 2005 Sierra Leone, Liberia, Guinea-Bissau und Côte d'Ivoire. Sie haben recherchiert, beobachtet und Gespräche geführt, die es ihnen ermöglichen, die Menschen mit ihren schrecklichen Erlebnissen nicht auf diese reduziert zu beschreiben, sondern zugleich ihren Kampf um einen Alltag, um die so genannte Normalität, und ihre mentalen Überlebensstrategien in den Blick zu nehmen.
Ergänzt werden diese Beschreibungen durch Verweise zumeist auf das ökonomische Interesse, das sich mit den Kriegen in Afrika verbindet, und auf ihren politischen Kontext. So entsteht eine ganz besondere sprachliche Qualität, in der sich das permanente Ringen um ein Buchstabieren der vorgefundenen "Grammatik der Entfremdung" (Mendes) ausdrückt, ohne zugleich ihre Fortschreibung zu betreiben. Zwar entgleitet die Metaphorik von Schwarz.Licht gelegentlich, wenn Entsetzen und Empörung Ausdruck verliehen werden sollen, etwa in der Rede von "Fluten der Gewalt" oder wenn der Krieg als ansteckende Krankheit bezeichnet wird und so das zuvor sorgfältig Recherchierte und Kontextualisierte kurzerhand zum Naturzustand erklärt wird.
Im Gesamtzusammenhang der Essays jedoch wirkt dies wie Einlassungen eines bereits überwundenen Diskurses. Gerade weil Mendes und Böwig das Unmögliche versuchen, nämlich, wie sie selbst sagen, nach Blumen zu suchen, wo der Wald in Brand gesteckt wurde, hebt sich ihr Diskurs von dem ab, was Thomas Gebauer von Hilfsorganisation medico international in seinem Vorwort "radikale Negativität" nennt. Das Buch zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es - ohne die Kriegsgräuel zu verschweigen und ohne dem Anblick von Krieg und Kriegsfolgen auszuweichen - so radikal in der Suche nach Menschlichkeit und Alltäglichkeit ist. Wer sich auf die Lektüre einlässt, bleibt gerade nicht dem "Eigenen" der Profiteure verhaftet. Selbst die geringste Änderung der Blickrichtung ist radikaler als fixierende Zustandsbeschreibungen. Ein wichtiges Buch.
Regina Schleicher