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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 391 | Krieg gegen die Ukraine Es bleibt kompliziert

Es bleibt kompliziert

Editorial zum Themenschwerpunkt

Als Russland am 24. Februar die Ukraine angriff, verursachte das im iz3w, wie an vielen anderen Orten, Schrecken und Ratlosigkeit; sowie die Gewissheit, dass man gerade nicht einfach so »weitermachen« kann. Doch was stattdessen tun? Wir haben jedenfalls unsere Jahresplanung umgeworfen und einen Themenschwerpunkt zum Krieg gegen die Ukraine dazwischengeschoben. Für unsere redaktionellen Abläufe und Kapazitäten ist das spontan. Normalerweise legen wir im Herbst fest, mit welchen sechs Themen wir ins kommende Jahr gehen. Die Vorlaufzeit einer iz3w liegt bei mindestens vier Monaten. Diesmal nicht. Die Eile wird man dem Schwerpunkt manchmal anmerken. Da bitten wir um etwas Nachsicht.

 

Dieser Themenschwerpunkt ist länger als üblich. Dennoch fehlen viele Themen, die uns in den Diskussionen über den Krieg sehr am Herzen lagen (das ist wiederum bei anderen Schwerpunkten gleich). Die mediale Darstellung und bittere Realität rund um die Flucht etwa, die unsägliche Unterscheidung zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Geflüchteten. Zwischen relevanteren und irrelevanteren Kriegen (Äthiopien, Jemen). Und so weiter. Auch linken Positionen aus der Ukraine wollten wir mehr Raum geben. An dieser Stelle verweisen wir gerne auf die Kolleg*innen von ak, Jungle World und WOZ, die Anfang Mai zu einem Austausch nach Lwiw reisten und dann davon berichteten. Da zeigt sich, wie schwer sich die westliche Linke mit dem Krieg tut. Immer, und nun ganz konkret mit dem Krieg gegen die Ukraine.

Natürlich will niemand Krieg, doch »No War but Class War« funktioniert in Anbetracht eines realen Angriffskrieges auch nicht. So schließen sich in der Ukraine selbst Anarchist*innen freiwillig den Territorialkräften an und fordern Waffenlieferungen aus dem Ausland. Zur Abwehr der putinschen Despotie. In einem Gespräch mit der ak kritisiert Serhii Movchan von der ukrainischen Initiative Operation Solidarity die Position mancher westlicher Linken, nach der die Ukrainer*innen doch lieber die Waffen gegen die eigenen Herrschenden erheben, also eine Revolution beginnen sollen: »Ja, wie wäre es, wenn ihr schon mal anfangt?«

 

Natürlich wäre die Revolution großartig, leider ist sie nicht in Sicht. Und sie ausgerechnet von jenen zu fordern, die sich in der Ukraine verteidigen, wäre vermessen. Hätte Russland die Ukraine erfolgreich überrannt, würde sich die Lage von Minderheiten und progressiven Bewegungen in der Ukraine massiv verschlechtern und den autoritären Verhältnissen in Russland (Seite 28) angleichen. Dies anzuerkennen, heißt nicht, die Ukraine zu verklären oder den aufgezwungenen Abwehrkampf als Heldentum zu feiern (Seite 38). Niemand will Krieg und deshalb ist es so schwierig, eine linke Position dazu zu entwickeln, wenn er faktisch da ist. Im Moment ist auch die Linke in Deutschland vor allem mit Abwehr beschäftigt – gegen den Krieg, gegen Aufrüstung der Bundeswehr – und gegen das Überdenken althergebrachter Glaubenssätze. Die Vorstellung, dass angesichts des faktischen russischen Angriffskrieges ukrainische Menschen gewillt sind, soziale und Freiheitsrechte mit kriegsadäquaten Mitteln, also Waffen, zu verteidigen und der Westen einmal nicht auf der falschen Seite steht – das fällt schwer! Es braucht jedenfalls eine Vorstellung davon, wie man die Menschen in der Ukraine gegen den despotischen Angriffskrieg unterstützt.

Dass 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr bestenfalls Geldverschwendung sind, haben wir klar. Vieles andere nicht. Auch wir teilen viele der Unsicherheiten und Dilemmata, die dieser Krieg mit sich bringt. Und wir sind uns auch nicht immer einig, wie schon eine längere Diskussion um die Titelworte des Heftes zeigte. Der Themenschwerpunkt erklärt nicht den Krieg. Er bildet Aspekte und Positionen ab, um sich den historischen und aktuellen Fundamenten des Krieges anzunähern: der Tatsache des Horrors.

Die Bildstrecke für den Schwerpunkt stammt von dem Fotografen Kirill Gonchar. Er ist 35 Jahre alt und hat vor dem Krieg als Filmemacher gearbeitet. Nun dokumentiert er tagtäglich die Lage in der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw und arbeitet an einer Dokumentation über den Krieg. Wir bedanken uns herzlich für die Bilder. Mehr Fotos und Videos finden sich auf seinem Instagram-Account. Wer ihn finanziell unterstützen will, kann das unter send.monobank.ua/7NndbuFSNv tun.

 

die redaktion

391 | Krieg gegen die Ukraine
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