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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 371 | Über Verschwörungstheorien Francesca Melandri: Alle, außer mir

Francesca Melandri: Alle, außer mir

Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2018. 608 Seiten, 26 Euro

Was machte der Vater in Äthiopien?

Ilaria Profeti führt ein gewöhnliches Leben. Sie ärgert sich gerade, dass ihr Kleinwagen abgeschleppt wurde und jetzt am anderen Ende Roms steht, als ein ihr unbekannter junger Mann vor ihrer Tür steht. »Ich heiße Shimeta Ietmgeta Attilaprofeti«, sagt er ihr. Er trage den Nachnamen von Ilarias Vater und seinem Großvater Attila. Ilaria glaubt ihm erst, als sie seinen Pass sieht. Schließlich hat er eine dunkle Haut, im Gegensatz zu ihrer Familie.

Ilaria nimmt den jungen Mann, der aus Äthiopien geflüchtet ist, bei sich auf. Er weiß nicht viel über den Großvater Attila Profeti, nur, dass er seinen Sohn in Äthiopien aus dem Gefängnis befreit habe. Doch seine Erzählungen lassen Ilaria ihre Familiengeschichte hinterfragen: Was machte ihr Vater in der ehemaligen italienischen Kolonie Äthiopien? Er war doch Partisan in Italien gewesen? Und warum wusste niemand, dass er in Äthiopien eine zweite Familie hatte? Ilaria beginnt auf dem Dachboden und in der Bibliothek zu stöbern, um Antworten zu bekommen.

Francesca Melandris Roman Alle, außer mir erzählt die Familiengeschichte der Profetis in Bruchstücken. Sie beim Lesen zusammenzusetzen, lässt selbst 608 Seiten kurzweilig erscheinen. Die Autorin wechselt zwischen verschiedenen Charakteren und Zeiten hin und her. Mal erzählt sie die Fluchtgeschichte des äthiopischen jungen Manns in den 2000er Jahren, mal die des Attila Profeti im Äthiopien der 1930er Jahre, als es noch eine Kolonie des faschistischen Italiens war.

Der Roman liefert einen Querschnitt durch die Geschichte Italiens und Äthiopiens im 20. Jahrhundert, ohne mit trockenem Geschichtswissen überfrachtet zu sein. Melandri setzt sich unter anderem mit dem Faschismus in Italien auseinander. Während sich einige Familienmitglieder der Profetis passiv gegenüber den neuen Machthabern verhalten, schließen sich andere begeistert Mussolinis Schwarzhemden an. Zur faschistischen Geschichte Italiens gehören auch Kolonialismus und Rassismus. Schonungslos erzählt Melandri, wie wenig das Leben der schwarzen Bevölkerung in den Kolonien wert war. Sie erzählt von Soldaten, die in Italien noch davon träumten, ÄthiopierInnen helfen zu können, indem sie ihnen ihre angeblich höherwertige italienische Kultur bringen. In Äthiopien angekommen, verübten sie grauenvolle Verbrechen.

»Alle, außer mir« ist kein klassischer historischer Roman. Vielmehr setzt Francesca Melandri Historisches mit heutigen Ereignissen in einen Zusammenhang. Die Geschichte des jungen Mannes, der plötzlich vor Ilarias Haustür steht, macht die Verbindung zwischen Orten und Zeiten greifbar, die nur scheinbar so weit voneinander entfernt sind. Die Kolonialzeit verbindet die Familie in Italien mit der in Äthiopien. Auch der Rassismus zieht sich durch die Zeiten. Seine Hautfarbe wird für den jungen Mann in Italien zu einem Problem.

von Timo Weißer

 

Francesca Melandri: Alle, außer mir. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2018. 608 Seiten, 26 Euro.

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