Hervé Bourhis und Brüno: Black and Proud
Eine gelungene musikalische Zeitreise durch die Schwarze Populärkultur in den USA.
Empowerment und Entertainment
Die Comic-Chronik Black & Proud. Vom Blues zum Rap von Hervé Bourhis und Brüno erlaubt einen lebhaften und komprimierten Rückblick auf die Highlights Schwarzer US-Popkultur von 1945 bis 2015. Jedes Jahr wird mit einer ganzseitigen bunten Zeichnung der Lieblingsplatte der Autoren eröffnet und um kleine Schwarz-Weiß-Abbildungen zu den wichtigsten musikalischen Ereignissen und Persönlichkeiten ergänzt.
Mit seinen unzähligen Empfehlungen ist der Comic ein idealer Begleiter beim Schallplattensammeln oder Playlisterweitern. Die Bilder liefern neben der Musik aber auch Einblicke in Politik, Sport und Film in den USA. Dabei dürfen natürlich Rosa Parks, Malcom X, Michael Jordan und Barack Obama genauso wenig fehlen wie Billie Holiday, Betty Davis, Samuel L. Jackson oder Nicki Minaj. Neben den Geburten und Todesfällen der Stars erzählt das Buch von der ersten Schwarzen Barbiepuppe »Christine« im Jahr 1968, von Muhammad Alis Kampf gegen George Foreman 1974 in Zaire oder vom gemeinsamen Auftritt von James Brown, Michael Jackson und Prince 1985. Dieses Konzert in Los Angeles ging besonders durch Prince’ zugedröhntes oberkörperfreies Erscheinen auf der Bühne in die Annalen ein.
Schwarze Populärkultur, insbesondere Schwarze Populärmusik war und ist allerdings nie ausschließlich Entertainment und Broterwerb, sondern stets auch antikoloniales Wissensarchiv, Empowerment und Vehikel des kulturellen Austausches im »Schwarzen Atlantik«. Letzterer zeichnet sich laut dem Kulturwissenschaftler Paul Gilroy insbesondere durch sein transnationales Identitätsverständnis aus, das Schwarze Menschen an beiden Küsten einschließt und sich vom eurozentrischen homogenen Nationenkonzept radikal unterscheidet.
Mit ihrer Fokussierung des Bandes auf die chronologische Geschichte Schwarzer Populärmusik in den USA vollziehen Bourhis und Brüno jedoch gerade diese nationale Grenzziehung, die zur Genese zahlreicher afro-diasporischer Musikgenres im Widerspruch steht. Um transnationale Einflüsse auf die Schwarze Musik in den USA deutlich zu machen, haben sie sich bei ihrer illustrierten Erzählung von »Blues bis Beyoncé« aber noch ein Hintertürchen offengelassen und einige Jahreszahlen um die Rubrik »Out Of America« ergänzt. Dort führen sie in einem kleinen Kästchen am Seitenende KünstlerInnen, Alben und Singles auf, die den musikalischen Zeitgeist jenseits der US-Veröffentlichungen prägten. Hier finden sich beispielsweise Miriam Makeba aus Südafrika, Jorge Ben aus Brasilien, Mulatu Astatke aus Äthiopien, The Upsetters aus Jamaika oder Amy Winehouse aus Großbritannien wieder.
Insgesamt ist an der gelungenen musikalischen Zeitreise nur die unsensible deutsche Übersetzung des ersten Satzes zu bemängeln, einem dem Buch vorangestellten Zitat von Antonín Dvorˇák. Die Wertschätzung, die der tschechische Komponist bereits 1893 in den rassistischen USA gegenüber »Negro Melodies« zum Ausdruck brachte, wird ins Gegenteil verkehrt, wenn dafür 2018 das N-Wort im Deutschen gebraucht wird. Grotesk ist das auch deshalb, weil in direktem Anschluss James Browns »Say it loud! I’m black and I’m proud« folgt.
von Patrick Helber
Hervé Bourhis und Brüno: Black and Proud. Vom Blues zum Rap. Avant-Verlag, Berlin 2018. 176 Seiten, 30 Euro.