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Sie sind hier: Startseite Zeitschrift Ausgaben 369 | Friedensprozesse Mana Neyestani: Die Spinne von Maschad

Mana Neyestani: Die Spinne von Maschad

Edition moderne, Zürich 2018. 164 Seiten, 22 Euro

Das erschütternde politische Buch von Neyestani demonstriert, wie der staatliche Tugendterror von einem fanatischen Unterstützer ins Extreme gesteigert wird und dabei die Herrschaft der Islamisten selbst gefährdet. Neben der Auseinandersetzung mit religiösem Wahn liefert es eine Kritik des politischen Status quo im Iran.

In der nordiranischen Stadt Maschad erwürgt der Maurer und Familienvater Said Hanai in den Jahren 2000 und 2001 über sechzehn Prostituierte. Angetrieben wird er gleichermaßen durch einen tiefsitzenden Hass auf Frauen, seine Angst vor unkontrollierter weiblicher Sexualität sowie religiösen Wahn und Sozialdarwinismus. Im autoritären islamistischen Staat Iran, dessen Machthaber die Bevölkerung mit Tugendterror tyrannisieren, Frauen zum Tragen des Kopftuchs zwingen und Ehebruch und Homosexualität mit dem Tod bestrafen, fühlt sich der Serienkiller als legitimer Vollstrecker der Staatsmoral. Die von ihm ermordeten Prostituierten, verarmte drogenabhängige Frauen aus der Unterschicht Maschads, sind in seinen Augen eine gesellschaftliche Bedrohung und keine Menschen. Mit dieser Auffassung ist der Killer nicht allein. Sowohl seine Familie als auch Teile der Bevölkerung Maschads solidarisieren sich nach der Verhaftung mit dem Mörder.

Der in Frankreich im Exil lebende iranische Zeichner Mana Neyestani widmet sich in seiner Graphic Novel Die Spinne von Maschad der Täterbiografie, nimmt aber auch die Perspektive seiner Familie und die der getöteten Frauen und ihrer Angehörigen ein. Die in Schwarz-Weiß gehaltenen Zeichnungen werden dafür überraschend durch eine zweite, bunte und kindliche Bildergeschichte unterbrochen. Fiktive Autorin ist dann Samira, die Tochter eines Opfers, die über den Verlust ihrer Mutter berichtet.

Vorlage des Comics ist der Dokumentarfilm »And Along Came A Spider« der Journalistin Roya Karimi Majd und des Filmemachers Maziar Bahari. Darin führt Majd lange Gespräche mit dem Serienmörder, dessen Familie, Angehörigen der Opfer und dem Richter Mansouri. Letzterer lässt Hanai im April 2002 erhängen. Die Todesstrafe wird weniger mit den grausamen Morden, sondern wegen Hanais Missachtung der »Grenze zwischen der Pflicht eines Muslims und derjenigen eines Scharia-Richters« begründet. Das individuelle Ermorden »unzüchtiger Frauen« säe Zweifel »an der göttlichen Gerechtigkeit und der Gültigkeit der islamischen Gesetze«. Daher äußert der Richter beruhigt: »Frau Majd, glücklicherweise denken die meisten nicht wie Hanai, sonst würde Chaos herrschen … jeder würde die Scharia nach seinem eigenen Ermessen auslegen.«

Das erschütternde politische Buch von Neyestani demonstriert, wie der staatliche Tugendterror von einem fanatischen Unterstützer ins Extreme gesteigert wird und dabei die Herrschaft der Islamisten selbst gefährdet. Neben der Auseinandersetzung mit religiösem Wahn liefert es eine Kritik des politischen Status quo im Iran. Dieser ist das Netz, in dem marginalisierte Frauen gefangen sind und »die Spinne« Hanai zuschlägt.

Patrick Helber

 

Mana Neyestani: Die Spinne von Maschad. Edition moderne, Zürich 2018. 164 Seiten, 22 Euro.

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