Zeitschriftenschau: Antifaschistisches Infoblatt
In den vergangenen Jahren hat das Antifaschistische Infoblatt AIB aus gutem (oder besser gesagt: schlechtem) Grunde ausführlich über den NSU-Komplex und die mörderische Gewalt gegen die türkische Community in Deutschland berichtet. In der jüngsten Ausgabe wagt sich das AIB an den türkischen Nationalismus – ebenfalls aus schlechtem Grunde. Denn die Szene der türkischen FaschistInnen und UltranationalistInnen ist aktiver denn je. Selbst in linken und kurdischen Hochburgen treten Graue Wölfe und andere FaschistInnen mittlerweile offensiv und provokativ auf, so etwa bei der diesjährigen 1. Mai-Demo in Berlin-Kreuzberg, wo sie DemoteilnehmerInnen beschimpften, bespuckten und sogar mit Flaschen bewarfen. Auf das Kreuzberger Büro der kurdischen Partei HDP waren zuvor bereits mehrere Angriffe und ein Brandanschlag verübt worden.
In mehreren Beiträgen beschreibt die AIB den Aufstieg der faschistischen Grauen Wölfe und der rechts-nationalistischen Ülkücü-Bewegung in Deutschland, der bereits lange vor dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 begonnen hatte. Beide Gruppierungen verstehen es, sich über Motorrad-Gangs und Sportvereine an die Zielgruppe junger türkischer Männer zu wenden. Gemeinsamer ideologischer Nenner ist der militante Hass gegen alles Kurdische, gegen die türkische Linke und gegen weitere Minderheiten, die als untürkisch gelten: AlevitInnen, LGBTIs, ArmenierInnen sowie Jüdinnen und Juden. Religion in Form von politischem Islam spielt bei einigen Strömungen durchaus eine Rolle, in anderen weniger. Besonders bedeutend für die türkische Rechte sind die drei in Deutschland aktiven Dachverbände, in denen sie sich außerordentlich gut organisieren: ADÜDTF, ATIB und ANF. Die deutschen Behörden unternehmen herzlich wenig gegen die türkischen FaschistInnen, sie pflegen mit der kurdischen PKK lieber ein anderes Feindbild.
von Christian Stock
Antifaschistisches Infoblatt AIB, Herbst 2016, 3,50 Euro. www.antifainfoblatt.de