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Amjad Nasser: Wohin kein Regen fällt.

Namenloses Exil

Amjad Nassers Roman Wohin kein Regen fällt erschien im arabischen Original bereits 2011. Der jordanische Dichter, Journalist und Schriftsteller starb 2019. 2020 wurde sein Roman posthum auf Deutsch veröffentlicht, denn das hiesige Interesse an arabisch-sprachiger Literatur steigt. Der Übersetzerin Regina Karachouli gelingt es, Nassers dreidimensionale Sprache ins Deutsche zu übertragen. Sein Stil ist mächtig und detailreich, seine Sprache zieht nach wenigen Seiten in den Bann.

Der Protagonist des Buches musste als junger Mann ins Exil fliehen, weil er an einem fehlgeschlagenen Attentat auf einen Militärherrscher beteiligt war. Nach rund 20 Jahren im Westen kehrt er zurück in sein Herkunftsland. Er begegnet seiner Familie, Jugendfreunden, ehemaligen Kameraden und seiner ersten Liebe. Der Protagonist trifft auch sein damaliges Ich und setzt sich mit diesem auseinander. Die Erzählperspektive ist dabei nicht immer klar; die Erzählung taucht an vielen Stellen in die Vergangenheit ab, holt Stücke aus der Erinnerung hoch und flicht sie in aktuelle Geschehnisse ein. Dieser Aufbau verlangt den Lesenden eine gewisse Großzügigkeit ab, da nicht immer sofort klar ist, wo man sich in der Geschichte befindet.

Diese leichte Verunsicherung der Lesenden ist Nassers Kalkül: So nennt er die Schauplätze seines Romans nicht beim Namen. Da auch der Protagonist Schriftsteller ist, verleitet die Nicht-Benennung dazu, den Roman wie eine Schablone auf das Leben des Autors (das im Klappentext zusammengefasst ist) zu legen und Vergleiche anzustellen. Die vielen Bezüge verstärken den Eindruck, dass der Roman auf verschiedenen Ebenen gelesen werden kann, je nachdem wie viele der Anspielungen man versteht.

Doch auch ohne die Hinweise wird schnell klar, dass das Stilmittel wirkt: Es ist egal, wo genau sich die Handlung abgespielt. Deutlich sind dafür die inhaltlichen Aspekte. Selbstmordanschläge oder Fremdenfeindlichkeit erscheinen sehr aktuell und schließen an hiesige Diskurse an. Ein brandaktueller Bezug des Buches, den der Verlag nicht vorausahnen konnte, ist eine ominöse Pandemie im Exilland. Sie wird nur angedeutet, geht aber mit Husten, Masken tragen und gespenstisch leeren Innenstädten einher. Im Buch wird eine »Rückkehr zum Barbarischen« beschrieben, die in unserer Realität dankenswerterweise beim Kampf um Klopapier Halt gemacht hat.

Es ist umso bemerkenswerter, dass das Buch bereits vor über zehn Jahren geschrieben wurde – also auch vor den arabischen Revolutionen 2011 und der breiteren Migrationsdebatte in Westeuropa 2015. Gesellschaftliche Entwicklungen liegen oft schon lange in der Luft.

Clara Taxis

Amjad Nasser: Wohin kein Regen fällt. Lenos Verlag, Basel 2020. 307 Seiten, 24,80 Euro.

 

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