Jutta Blume: Die Aktivistin
Wer will sich schon mit dem Morast in Honduras befassen, dieser Bananenrepublik, in der »sowieso Hopfen und Malz verloren ist«? Das fragt sich ein Protagonist in Jutta Blumes Politthriller Die Aktivistin. Den Lesenden wird aber keine Wahl gelassen, dazu ist die Geschichte viel zu spannend. Die Autorin analysiert den neokolonialen Ausverkauf des Landes mit literarischer Virtuosität.
Schon das grandiose Einstiegskapitel führt mitten ins Geschehen. Zusammen mit dem Entwicklungshelfer Ulrich, der seine ehemalige Geliebte Yessica besuchen will, bewegt man sich durch die unheilschwangere Ruhe ihres Dorfs. Yessica ist spurlos verschwunden und niemand will darüber reden. Ulrich erfährt, dass die Region zu einer Sonderentwicklungszone erklärt wurde und von einem internationalen Expertenkomitee verwaltet wird, das die Einheimischen zum Verkauf ihrer Grundstücke zwingt. Als ein Bombenattentat auf das Komitee verübt wird, soll es Yessica, die sich für die Rechte der indigenen Garífuna einsetzt, angehängt werden. Auf der Suche nach ihr gerät Ulrich in einen Strudel von Intrigen. Ein internationaler Investor, korrupte Politiker*innen und ehemalige Drahtzieher*innen des Contra-Kriegs spielen dabei ebenso eine Rolle wie Drogenkartelle, Auftragsmorde und eine evangelikale Kirche.
Blume kennt die Verhältnisse vor Ort aus eigener Erfahrung. Sie hat die Hintergründe nicht nur gründlich recherchiert, es gelingt ihr auch, ihre Informationen unterhaltsam in ihren Thriller einzubauen. Gekonnt spannt die Autorin zudem den Bogen zu anderen politischen Entwicklungen und Ereignissen in Zentralamerika.
Erzählt werden die Geschehnisse aus drei Perspektiven, die unterschiedliche, mit den Konstrukten gender, class und race verwobene Machtdynamiken illustrieren: Ulrich ist ein unbeholfener weißer Antiheld, der die Widersprüche der Entwicklungszusammenarbeit personifiziert. Er sympathisiert mit lokalen Kämpfen um Gerechtigkeit und ist doch froh, sie nicht ausfechten zu müssen. In Sachen Kampfgeist kann er der alleinerziehenden, indigenen Heldin Yessica nicht das Wasser reichen, die ihr feministisches Selbstverständnis und ihr politisches Engagement mit Gewissensbissen hinsichtlich ihrer Mutterrolle ausloten muss. Die dritte Perspektive ist die der neoliberalen US-Politikerin Amaris Winwright, die als Mitglied des Expertenkomitees für den Versuch steht, ein extrem konservatives Frauenbild mit dem unbedingten Streben nach Macht zusammenzudenken. Die Grenzen, an die sie dabei stößt, weisen mitunter Parallelen zur Situation ihrer Gegenspielerin Yessica auf.
Bemerkenswert ist der eigenwillige Humor des Romans. Bei aller politischer Brisanz ist er gespickt mit urkomischen Situationen, ohne ins Klamaukhafte abzudriften. Dazu sind die Anspielungen zu subtil. Da wird Woody Guthrie als Journalist wiedergeboren, Maggie Thatcher entpuppt sich als verhinderte TV-Pfarrerin, Karibikpirat Jack Sparrow wird zum Fluchthelfer, Ulrich stolpert als Anti-James-Bond orientierungslos von einem Feierabendbier zum nächsten und der Dorfhäuptling aus Asterix und Obelix hat auch ein Wörtchen mitzureden. Ebenso leichtfüßig wie beiläufig spielt Blume mit literarischen Stilmitteln, die in wortwitzigen Momentaufnahmen Absurditäten auf den Punkt bringen.
»Die Aktivistin« ist weit mehr als ein rasanter Thriller, der lediglich den Exotismus der Honduras-Kulisse bedient. Der literarische Ausflug in die politischen Abgründe des Landes wird selbstironisch kommentiert. Somit wirft Blume auf überzeugende Weise einen engagierten, sezierenden Blick auf die internationalen Machenschaften vor Ort.
von Julia Rickers