Matthias Gnehm: Salzhunger
Mit Fairphones gegen Profithunger
Der Kampf gegen Umweltverschmutzung, Korruption und Gentrifizierung in der nigerianischen Millionenstadt Lagos steht im Zentrum von Matthias Gnehms Comic-Thriller Salzhunger. Darin machen sich die Schweizer Aktivist*innen Paula Hofer und Arno Beder auf den Weg von Zürich nach Nigeria. Ihr Ziel ist, der Profitgier eines fiktiven internationalen Rohstoffkonzerns den Riegel vorzuschieben und die Öffentlichkeit über dessen schmutzige und skrupellose Machenschaften zu informieren.
Um daran mitzuwirken, hat sich Arno, ein frustrierter Filmstudent, aus dem Sog der globalen Katastrophennachrichten auf seinem Notebook befreit und eine Bewerbung mit den Worten »Ich will etwas tun« an die NGO »Erzfeind« geschrieben. Unterstützt wird »Erzfeind« vor Ort vom nigerianischen Blogger Anthony Nwoko, der den Aktivist*innen Zugang zu Land und Leuten sowie den notwendigen Beweisen für die kriminellen Aktivitäten des Konzerns liefern soll.
Smartphones sind für die Aktivist*innen sowohl Informationsquellen als auch Mittel zur direkten Aktion. Mittels zahlreicher Tweets macht Anthony Nwoko vom Hotelbett aus auf die Polizeiübergriffe bei der gewaltsamen Räumung eines Armenviertels am Wasser in Lagos aufmerksam. Gnehm hat seinen Comic den rund 30.000 ehemaligen Bewohner*innen von Otodo Gbame gewidmet, einer informellen Fischersiedlung an Lagos’ Lagune, die 2017 geräumt wurde und deren Einwohner*innen gegen Bagger und Polizei Widerstand leisteten.
Gnehms farbige Zeichnungen portraitieren die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der 20-Millionenstadt Lagos und überzeugen durch ihre vielen Details. Der Schweizer Leiter von »Erzfeind« hält den Kontakt zu den Aktivist*innen in Nigeria mittels seines Fairphones, Arno lässt gleichgültig eine Papierschachtel mit der Beschriftung »Malarone« beim Verlassen einer Apotheken auf die Straße fallen, und der nigerianische Immobilieninvestor spielt mit den Wohnblocks des Architekturmodelles, während er die Räumung einer informellen Siedlung in Auftrag gibt, die dem Bauvorhaben noch im Weg steht. Das Rot des im Flugzeug servierten Rotweins findet sich in den geschwollenen Gesichtern misshandelter Inhaftierter wieder, die den am Hotelpool beratschlagenden Aktivist*innen gegenübergestellt werden.
Jenseits der konkreten politischen und globalisierungskritischen Dimension beschäftigt sich der Comic mit Verrat, Depression und Privilegien. Letztere können sich auch darin äußern, dass weiße Aktivist*innen aus dem Globalen Norden immer wieder in eine heile Welt zurückfliegen können, während die lokalen Unterstützer*innen im Süden ihr Leben riskieren oder spurlos in Gefängnissen verschwinden.
Patrick Helber
Matthias Gnehm: Salzhunger. Edition Moderne, Zürich 2019. 224 Seiten, 32 Euro.