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www.pambazuka.org

Internet-Bulletin für Soziale Bewegungen in Afrika

Die Internet-Plattform Pambazuka (Swaheli für »Steht-auf«) vernetzt WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und AktivistInnen in Afrika und der Diaspora, die zu Fragen sozialer Gerechtigkeit arbeiten. Die Redaktionen für verschiedene Sprachen oder Länder arbeiten eng zusammen, sind inhaltlich aber unabhängig. Sie konzipieren ein Newsbulletin, das von mehr als 25.000 AbonnentInnen bezogen wird und über eine geschätzte LeserInnenschaft von 500.000 Personen verfügt. Die rund 1.500 AutorInnen schreiben unentgeltlich. Die englischsprachige Ausgabe ist die umfangreichste und erscheint zweimal in der Woche, die französischsprachige wöchentlich, die portugiesischsprachige alle vierzehn Tage. Über 56.000 Artikel sind frei auf der Seite zugänglich. Das institutionelle Dach Pambazukas stellt die britische NGO Fahamu, die sich zu Gunsten von Kommunikations- und Informationstechnologien für soziale Bewegungen einsetzt. Finanziert werden die Büros durch weitere Spenderorganisationen und EinzelspenderInnen. Neben dem Fahamu-Hauptsitz in Oxford bestehen Pambazuka-Büros in Nairobi für Ostafrika, in Kapstadt für Süd-afrika und in Dakar für Westafrika. Zudem produziert ein brasilianisches Büro in Salvador de Bahìa die lusophone Ausgabe. Die Seite www.pambazuka.org wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von Politics Online und dem World E-Gov Forum.

Lotte Arndt

»Wir sind offen für Kontroversen«
Interview mit Tidiane Kassé über die panafrikanische Internetplattform Pambazuka News

iz3w: Welches Konzept verfolgt Pambazuka News?
Tidiane Kassé: Pambazuka ist ein elektronisches Portal für Nachrichten, Vernetzung und Diskussion sozialer Bewegungen in Afrika. Es wurde Ende der 1990er Jahre vom Netzwerk Fahamu entwickelt. Wir interessieren uns für soziale Bewegungen weltweit, speziell aber im globalen Süden. Das Ziel ist, den im Medienmainstream unhörbaren Stimmen ein Forum zu bieten. Wir wollen eine Plattform schaffen, die es den verschiedenen Initiativen auf dem ganzen Kontinent, die zu Themen sozialer Gerechtigkeit arbeiten, ermöglicht zu diskutieren, sich zu vernetzen und ihre Ideen weiterzuentwickeln.

»Panafrikanische Stimmen für Frieden und Gerechtigkeit« ist der Untertitel von Pambazuka. Was bedeutet dieser Slogan in der Praxis? Welche Beziehungen unterhält Pambazuka mit Großorganisationen wie Kirchen, NGOs und politischen Parteien?
Wir sind in erster Linie an Stimmen interessiert, die von der Basis kommen: selbstorganisierte Gemeinden, Gruppen, Bewegungen, die über keinen großen institutionellen Rückhalt verfügen. Von sozialer Gerechtigkeit zu sprechen, heißt für uns, mit den Initiativen alternative Wege auszuloten, um mit der Globalisierung umzugehen und ihre Entwicklung zu gestalten. Es geht darum, die Initiativen zu Wort kommen zu lassen, die die Freiräume schaffen, um endogene Entwicklungswege zu gehen, oder die sich der Wirtschaftspolitik widersetzen, die an den Interessen multinationaler Konzerne ausgerichtet ist. Wichtig ist dabei auch, panafrikanische Perspektiven zu suchen, die Kommunikation über nationale und lokale Grenzen hinweg zu ermöglichen, Redefreiheit für Minderheiten und marginalisierte Stimmen zu erkämpfen und die sozialen Strukturen zu demokratisieren. Bei Großstrukturen wie Kirchen oder großen NGOs sehen wir die Gefahr, dass sie Basisbewegungen vereinnahmen oder zurückdrängen. Wir versuchen demgegenüber, diese Tendenzen zu benennen – wenn wir nicht gleich entscheiden, diese Organisationen offen anzugreifen.

Sind die Regionalbüros unabhängig vom Hauptsitz in Oxford?
Das Büro in Dakar wird von verschiedenen Organisationen finanziert, ebenso wie das Hauptbüro in Oxford. Dies ermöglicht, dass der Zugang zur Webseite und die Zusendung des Newsletters kostenlos sind. Das ist uns wichtig, um die Zugangsschwellen so niedrig wie möglich zu halten. Zugleich hoffen wir aber auch, auf Dauer finanziell unabhängig zu werden. Deshalb arbeiten wir an einer neuen Version der Webseite, die neben den allgemein zugänglichen Informationen einen Mitgliederbereich für Personen umfassen wird, die uns finanziell unterstützen. Zudem versuchen wir, die Verlagsaktivitäten auszubauen. Auf der inhaltlichen Seite koordinieren wir uns zwischen den Redaktionen. Aber wir können jeweils frei entscheiden, welche Schwerpunkte wir setzen. Es gibt eine Art Drop-Box, in der jede Redaktion die Beiträge ablegt, die sie für die kommende Ausgabe vorsieht. Das können die anderen Redaktionen kommentieren. Einmal in der Woche diskutieren wir per Skype die vorgesehenen Themen. Schließlich entscheidet jede Redaktion selbst, welche Texte sie in die Ausgabe nimmt.

Warum unterhält Pambazuka ein Regionalbüro in Brasilien?
Brasilien ist nach Nigeria das Land mit der weltweit größten schwarzen Bevölkerung. Sowohl die panafrikanische Ausrichtung Pambazukas, als auch die Entscheidung, die Diaspora in die Diskussionen einzubinden, zählen zu den Gründen, warum die lusophone Ausgabe in Brasilien produziert wird.

Die französischsprachige Redaktion für Westafrika sitzt in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Pambazuka veröffentlicht immer wieder sehr kritische Texte, die auch Senegal betreffen. Gibt es Spannungen mit dem Staat?
Nein, wir werden in Ruhe gelassen. Sicher haben wir eine besondere Position, weil wir ein internationales Medium sind. Nach zwanzig Jahren im Journalismus in Senegal würde ich aber im Allgemeinen sagen, dass die senegalesische Presse weit couragierter agiert als noch vor einigen Jahrzehnten. Zwar gibt es immer wieder Repressionen, aber die JournalistInnen schreiben sehr kritisch, sogar über heiße Eisen wie Fragen der Religion und ihren Einfluss in der Politik.

Versteht sich Pambazuka als antikapitalistisch?
Ich bin eher skeptisch, unsere Linie mit solchen Begriffen wie antikapitalistisch oder antiimperialistisch zu beschreiben. Wir wollen zur Verbreitung von Ideen beitragen, die Alternativen zu einem staatsfixierten und kapitalistischen System suchen, die Kritik äußern an den bestehenden sozialen Hierarchien und den Politiken der internationalen Finanzinstitutionen, die weiterhin großen Einfluss haben. Entwicklung in Afrika ist nicht durch die Governance-Konzepte erreichbar, die diese Akteure verbreiten! Selbstverständlich veröffentlichen wir immer wieder Artikel mit antikapitalistischen Inhalten, wie die Analysen von Samir Amin vom Third World Institute. Als Journalist möchte ich die Seite aber nicht in eine konzeptuelle Schublade stecken, die für die Diskussion auch hinderlich sein kann. Die Debatten um Mugabe in Simbabwe zeigen, dass Pambazuka kein monolithisches Organ ist: Wir haben sowohl Texte veröffentlicht, die Mugabe radikal kritisieren, als auch solche, die die simbabwische Regierung verteidigen oder die internationale Sanktionspolitik angreifen. Das hat zu einer großen Debatte unter den LeserInnen geführt. Wir verstehen uns als Plattform und sind offen für Kontroversen. Solange die vertretenen Positionen sich für soziale Alternativen engagieren, haben sie einen Platz in der Debatte.

Pambazuka verfügt über die Rubrik »lgbti« (lesbisch, schwul, bi-, trans-, intersexuell). Hier werden Artikel veröffentlicht, die scharf die in einigen afrikanischen Staaten bestehenden Gesetze kritisieren, die Homosexualität unter Strafe stellen, sowie die weit verbreitete Homo-und Lesbophobie thematisieren. Welche Rolle nimmt Pambazuka in dieser Diskussion ein?
Wir versuchen, den Positionen marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen Gehör zu verschaffen. Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung ist für uns eine zentrale Frage. Wenn wir uns auf einen Kontext wie Senegal, Uganda oder Kenia beziehen, wo Homosexualität qua Gesetz unter Strafe steht und die Situation extrem gespannt und gefährlich ist, versuchen wir, eine Debatte zu lancieren. Hier in Senegal zum Beispiel arbeiten wir in einem Kontext, in dem sich die Intellektuellen nicht in dieser Diskussion positionieren. Die Medien haben die Diskussion dominiert und sie haben wie so oft die herrschenden sozialen und religiösen Normen übernommen. Wir leben in einer von Grund auf homophoben Gesellschaft, doch in den letzten Jahren hat die Gewalt gegen Homosexuelle extrem zugenommen. Die Situation ist so gespannt, dass viele zögern, sich zu äußern, weil sie fürchten, zur Zielscheibe sozialer oder körperlicher Gewalt zu werden. In dieser Situation der verbreiteten Furcht sehe ich die Rolle von Pambazuka darin, die Debatte zu lancieren, die Stimmen, die in der öffentlichen Diskussion nicht vertreten sind, zu drucken, und Analysen zu veröffentlichen, die Gewalt aufgrund sexueller Orientierung reflektieren.

Welches sind die Themen, die von den LeserInnen am stärksten diskutiert werden?
Meistens sind es aktuelle Themen aus Politik und Wirtschaft. Es gab heiße Debatten rund um unsere Analysen zur Finanzkrise. Ebenfalls große Auseinandersetzungen gibt es immer wieder um verschiedene Konflikte: Zum Krieg in der DR Kongo und zu Simbabwe haben wir sogar eigene Rubriken geschaffen. Bei Ereignissen wie den gewaltsamen Konfrontationen nach den Wahlen in Kenia bekommen wir zahlreiche Zuschriften. Wenn die Diskussionen wieder abflauen, bleiben die Beiträge auf unserer Seite weiter zugänglich.

Fünfzig Jahre nach den Unabhängigkeiten 17 afrikanischer Länder: Was sind für Pambazuka die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre?
Die größte Aufgabe wird sein, die Aneignung der Webseite durch möglichst viele AfrikanerInnen zu erreichen. Das impliziert den Zugang zu und den Gebrauch von Informationen, außerdem die Weiterentwicklung von Netzwerken, die an Entwicklung und der Unabhängigkeit der AfrikanerInnen arbeiten. Mein Traum ist, dass Pambazuka nicht auf eine Webseite für die Elite beschränkt bleibt. Heute sind es hauptsächlich die ausgebildeten Eliten, die Zugang zum Netz und damit zu den Diskussionen haben, die wir veröffentlichen. Ich würde mir wünschen, dass die Seite wirklich von Basisbewegungen angeeignet werden kann. Das fängt mit der Frage der Sprachen an: Derzeit arbeiten wir in den offiziellen Sprachen, die wir von der Kolonisierung geerbt haben. Bald wird eine arabischsprachige Seite hinzukommen, auch Swaheli ist im Gespräch. Wegen der finanziellen Möglichkeiten haben wir die Sprachen gewählt, die die größtmögliche Verbreitung erlauben. Aber wir hätten gern eine Webseite in allen afrikanischen Sprachen.

Tidiane Kassé ist Chefredakteur der französischsprachigen Ausgabe von Pambazuka News.

Das Interview führte Lotte Arndt.

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