Shooting Dogs
Rezension: Klare Rollenverteilungen
Shooting Dogs wurde mit viel Lob, Jury- und Publikumspreisen versehen. Unter anderem, weil er ganz nah dran ist am Geschehen. Gemeint ist der Genozid in Ruanda. Dabei zeigt der Film zuvorderst die persönliche Geschichte dreier weißer Männer. "Mut, Moral und ethnische Anschauung dieser Männer" werden "auf eine brutale Probe" gestellt, "Terror und Schrecken bringen ungewöhnlichen Mut und Selbstlosigkeit" hervor. So steht es in der Ankündigung.
Gedreht wurde in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Die drei Hauptfiguren - ein Missionspriester (John Hurt), ein ambitionierter junger Lehrer (Hugh Dancy) und ein Kommandant einer kleinen belgischen Truppe der UNAMIR (Dominique Horwitz) - halten auf einem Schulgelände zusammen mit ruandischen Flüchtlingen einen inselartigen Zufluchtsort aufrecht. Die "nur zur Überwachung" eines längst nicht mehr existenten Friedens abgeordneten Blauhelmsoldaten schauen dem Mordtreiben rund um das Schulgelände zu.
Diesseits des Zaunes wird jede Hoffnung der Flüchtlinge auf ein Entkommen erstickt. Die einrückenden Franzosen evakuieren lediglich einige Weiße. Das Festhalten des Missionars am letzen Abendmahl, die Erinnerung des Kommandanten, der immer auf seinen Großvater stolz gewesen war, weil er die Juden vor den Nazis versteckt hatte, die ergriffene Fluchtchance des jungen Lehrers: all diese Szenen wirken wie eine psychologische Aufarbeitung der unentschuldbaren Untätigkeit der Weißen in den ersten Tagen des Genozides. Mut und Ohnmacht der drei Protagonisten werden als Resultat der Tatsache inszeniert, dass die Blauhelme ihr Mandat penibel befolgten. Dieses sah eine Schießerlaubnis nur zur Selbstverteidigung oder zur Vermeidung von Leichenschändung vor, etwa durch streunende Hunde (daher der Filmtitel "Shooting Dogs"). Völlig absurd wirkt das Nein des Kommandeurs, als die Flüchtlinge die Soldaten um Erschießung bitten, um ihnen die Grausamkeiten der Mörder zu ersparen.
Erdachte Regisseur Michael Caton-Jones seine mal selbst-, mal hilflos wirkenden, mal paternalistisch handelnden weißen Helden, um die Gräuel des Genozids einem westlichen Publikum in Erinnerung zu rufen? "Unter den Leuten [in Ruanda, mb] herrscht ein starkes Gefühl vom Alleine-gelassen-sein und außerdem der Eindruck, dass die Geschichte dieses Landes der restlichen Welt völlig unbekannt ist. Ich wollte einen Film machen, der diese Lücke schließt." (Caton-Jones). Sicher, das ist ein guter Grund, einen Film in und über Ruanda zu drehen. Und ja, "kein Film kann alles über den Massenmord sagen".
Umso umsichtiger muss ein Regisseur mit dem verfahren, was er zeigt. Bezüglich des Genozids nimmt er jedoch eine gefährlich eindeutige ethnische Trennung in Täter und Opfer vor, in Hutu und Tutsi. Nicht ein leiser Hinweis dazu, wie es zur Eskalation kommen konnte, welche fatale Rolle lokale Identitätspolitik mit all ihren sozialen, kolonialen und internationalen Hintergründen spielte. Am Ende wirft der Film kaum mehr Fragen auf. Es dominiert der Eindruck, es gäbe entweder gutmütig-hilflose oder barbarisch-mordende Afrikaner. An dieses Muster ist man in Europa schließlich gewöhnt.
Die klare Täter-Opfer-Zuordnung ist jedoch ein zu hoher Preis für die bestmögliche Realitätsnähe am Ort des Geschehens. Als der ruandische Präsident Kagame den Film nach der Premiere als "Teil unserer Geschichte" bezeichnete und sagte, "wir müssen lernen, damit umzugehen", hat er diese Worte hoffentlich auf den Akt der Aufarbeitung und nicht auf die klischeehafte Hutu-Tutsi-Darstellung bezogen.
Martina Backes