African Rebel Music
African Rebel Music | CD
Afrika wird in unzähligen Reggaesongs als das "Mutterland schwarzer Musik" gepriesen - dass es dort eine eigene Reggaeszene gibt, dürfte selbst Fans überraschen. Das Münchener Label out|here zeigt mit seinem Sampler African Rebel Music, dass Reggae längst auf dem ganzen Kontinent verbreitet ist. Der Name des Labels ist Programm: Im Medienzeitalter verschwimmen die Grenzen zwischen "hier" und "dort", doch während Afrika via Internet und MTV an der westlichen Popkultur teilnimmt, interessiert sich der Westen meist nur dann für afrikanische Musik, wenn sie exotische Wunschvorstellungen bedient. Dem will Produzent Jay Rutledge entgegensteuern. Er hat bereits mit der CD "Africa Raps" (vgl. iz3w 275) eindrucksvoll demonstriert, dass Sequenzer und Drum-Computer auch in Afrika die Popmusik erobert haben. Nicht Griots, sondern Rapper und Ragga-MCs sind in Afrika die modernen Geschichtenerzähler. Sie sind das Sprachrohr der "generation perdu" - der neuen Generation der Großstadt-Jugend, die von Korruption, Arbeitslosigkeit und Machtmissbrauch genug hat und den Politikern nichts mehr glaubt.
Leider bleibt man auch bei afrikanischem Reggae nicht vom schwülstigen Rastafari-Pathos verschont. Oft wird aber auch mit viel Sprachwitz und groovenden Rhythmen deutliche Sozialkritik artikuliert. Das hervorragende Booklet der CD informiert über spannende Hintergründe: Leo Muntu kann Politik in seinen Songs nur andeuten, weil kritische Künstler in Sambia von staatlicher Verfolgung bedroht sind. Er hilft sich, indem er ironisch über das Alltagsleben singt - etwa über "wash wear", das einzige Paar Klamotten, das immer wieder getragen und gewaschen werden muss. Tiken Jah Fakoly hingegen kritisiert offen seinen korrupten Präsidenten - er ist Westafrikas neuer Superstar und verkaufte von seinem ersten Album 500.000 Exemplare. Andere Bands wie die Kenianer Necessary Noize müssen sich wegen der fehlenden Infrastruktur und der Musik-Piraterie mit Tagesjobs über Wasser halten.
Viele der CD-Titel orientieren sich am musikalischen Mainstream. Es finden sich aber auch originelle Titel: Teba demonstriert, dass der kwaito - eine Mixtur aus Ragga, HipHop, House und Afro-Pop - nicht ohne Grund zur Kultmusik der black community in Südafrika geworden ist. Und bei Batman aus Ghana hört man, dass sich Highlife-Musik und in der Landessprache Twi gesungene Ragga-Raps musikalisch anspruchsvoll vereinen lassen. "African Rebel Music" ist ein Sampler, der ungeschminkt und jenseits von Weltmusikklischees dokumentiert, was aus den Lautsprechern afrikanischer Radiostationen, Minibusse und Discos dröhnt. Afrikas Jugend will in Sachen Popkultur nicht hintenanstehen und sucht gleichzeitig nach eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. Dabei muss sie sich ihre künstlerische Freiheit selber erkämpfen. Vielleicht wirkt deshalb ihre Musik oft lebendiger als bei vielen ihrer Vorbilder.
David Siebert