Lost Children
Film: Lost Children | Kindersoldaten in Norduganda
Im Norden Ugandas herrscht Bürgerkrieg. Seit fast zwanzig Jahren kämpft die Lord's Resistance Army (LRA) mit Unterstützung des Sudans gegen die staatliche Armee von Uganda (siehe iz3w 288). Die Rebellen überfallen Dörfer im Grenzgebiet zum Sudan, plündern, morden, entführen Minderjährige für den Waffendienst. Die UN schätzt in einem Bericht die Zahl der Kindersoldaten weltweit auf ca. 250.000, verteilt auf elf Länder. Zu einem der "brutalsten Kinderrekrutierer" gehört nach aktuellen Angaben die LRA in Nord-Uganda.
Der Dokumentarfilm Lost Children handelt von diesen Kindersoldaten in Uganda. Vier Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren - ein Mädchen und drei Jungen - schildern in dem auf der diesjährigen Berlinale uraufgeführten, beim Chicagoer International Documentary Festival mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichneten Film ihre Entführung durch die Rebellen und ihr Leben unter den unmenschlichen Bedingungen im Busch. Alle vier mussten beim Morden zusehen, waren aktiv daran beteiligt oder wurden wie die 14-jährige Jennifer von Angehörigen der Miliz vergewaltigt.
Die Regisseure Ali Samadi Ahadi, 1972 im Iran geboren und seit seiner Flucht als 12-Jähriger in Deutschland lebend sowie der 1969 in Bonn geborene Oliver Stoltz, der sich als 13-Jähriger während des Bürgerkrieges in Namibia aufhielt, dokumentieren in "Lost Children" den Versuch der Wiedereingliederung dieser Kinder.
Alle vier konnten den Rebellen entkommen und leben seitdem im Kriegsgebiet in einem Auffanglager der Caritas. Das lokale Projekt begann 1999 und wird unter anderem vom Auswärtigen Amt in Deutschland gefördert. Die Filmemacher waren insgesamt zehn Wochen vor Ort und drehten in drei Phasen zwischen September 2003 und Mai 2004 mit kleinem technischem Equipment, um nicht aufzufallen.
Die Kinder sind ZeugInnen von Massakern, Opfer von Misshandlungen und zugleich TäterInnen. Betreut von zwei Sozialarbeitern reflektieren sie ihre Erlebnisse, klagen über Bauch- und Kopfschmerzen, schildern Alpträume und Wunschvorstellungen von einem normalen Leben als Kind. Die Sozialarbeiter suchen nach ihren Familien, fungieren als verständnisvolle Vermittler zwischen den Angehörigen und den Kindern. "Um ihn vom bösen Geist zu befreien", organisiert die Familie eines Jungen, der eine junge Mutter erstochen hat, ein Stammesritual zur Reinigung. Ihre Furcht vor dem minderjährigen ehemaligen Rebellen bleibt jedoch bestehen. Die Regisseure sind nah dran an den ProtagonistInnen, nehmen Gespräche und Bilder von einer unglaublichen Intensität auf, ohne die erschreckenden Schilderungen respektlos oder für filmische Effekte auszubeuten. Als Resultat sieht man einen engagierten Dokumentarfilm, der Position bezieht und motiviert, "sich für die Menschen in Nord-Uganda einzusetzen", wie es die beiden Filmemacher als ihr persönliches Ziel beschreiben.
Ulrike Mattern
Lost Children startete am 3. November in den Kinos. Die im Film porträtierten Sozialarbeiter Grace Arach und John Bosco kommen zu diesem Anlass nach Deutschland, um über ihre Arbeit in den Flüchtlingslagern zu informieren. Infos unter: www.lost-children.de/de/tour.htm und www.caritas-international.de